Unser Konzept

Arbeitsweise. Wie wollen wir das erreichen?

 

1. Grundprinzipien: Was ist Krisenintervention?

 

...aus Sicht der Fachleute

 

Mit Margarete Frei verstehen wir unter Krisenintervention

 

„jede Form psychosozialen Handelns, die darauf ausgerichtet ist, ein von Destabilisierung oder Zusammenbruch bedrohtes System kurzfristig zu restabilisieren. Zu den Zielen von Krisenintervention gehören:

-        Stützung der Selbsthilfekräfte der oder des Betroffenen und seiner Umgebung;

-        Übernahme der Funktion „stellvertretende Hoffnung“ durch den Helfer/die Helferin;

-        Rückgriff auf bewährte Lösungsstrategien aus der Vergangenheit, wo möglich; 
         Entwurf neuer Handlungsstrategien, wo nötig;

-        Produktive und unproduktive Problemlösestrategien bewusst gegeneinander abwägen;

-        Eröffnung längerfristiger Perspektiven und Hilfsangebote.“

         (Frei 1994, S.46)

 

Damit unterscheidet sich eine psychosoziale Krisenintervention von der Versorgung eines psychiatrischen Notfalls, bei dem „die Destabilisierung des krisenhaften Systems so weit fortgeschritten ist, daß der Zusammenbruch nicht mehr aufzuhalten ist. Die dann auftretenden Symptome –, sei es eine akute Psychose, eine Suizidhandlung, ein Erregungszustand, ein Delir, ein Verwirrtheitszustand etc. –machen bei hoher Prozeßgeschwindigkeit die unmittelbare medizinisch-psychiatrische Intervention erforderlich.“ (ebd. S.44) Krisenintervention greift dagegen dort ein, wo menschliche Krisen nicht mehr aus eigener Kraft oder mit dem vorhandenen sozialen Netz bewältigt werden können, eine drohende Destabilisierung aber noch nicht vollständig eingetreten ist (vgl. Häfner & Helmchen 1978).

 

 

Sonneck beschreibt allgemeine Prinzipien der Krisenintervention. Dazu gehören

 

„der rasche Beginn, die Aktivität des Helfers […] und die Methodenflexibilität (Hilfe im sozialen, psychologischen, aber auch biologisch-medikamentösen Bereich). Der Fokus ist die aktuelle Situation […]. Die Einbeziehung der Umwelt für Ressourcen aus dem sozialen Kontext, die adäquate Entlastung von emotionalem Druck […] sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit sind weitere wichtige Prinzipien.“

(Sonneck 2000, S.63)

 

Da Krise ein weit gefasster und relativer Begriff ist, der unterschiedlichste Belastungssituationen beinhalten kann, kommt der Methodenflexibilität eine besondere Bedeutung zu:  Je nach Krisensituation verlangt Krisenintervention nämlich nach dem pragmatischen Einsatz vielfältiger psychotherapeutischer Elemente, die der jeweiligen Krisensituation angepasst sind“

(Finzen 1997, S.83).

 

 

Ein multiprofessionelles Team, in dem unterschiedliche Kompetenzen zusammenkommen, ist deshalb für eine Krisenberatungsstelle sinnvoll. Im Krisenzentrum Dortmund kombinieren wir eine Methodenvielfalt aus systemischen, verhaltenstherapeutischen und lösungsorientierten Ansätzen. Ergänzt werden diese Interventionsmöglichkeiten durch das fachärztliche Angebot der psychiatrischen Sprechstunde am Krisenzentrum, die unter anderem den somatisch-medikamentösen Teil abdeckt.

 

 

Der zentrale Wirkfaktor der Krisenberatung ist aber die therapeutische Beziehung (vgl. Dross 2001, S.21). Deshalb fühlen wir uns jenseits therapeutischer Methoden in unserer Haltung den humanistischen Therapieansätzen und den therapeutischen Basisvariablen von Empathie, Akzeptanz, Echtheit und Transparenz sehr verbunden. Krisenintervention erfolgt auf Augenhöhe und Experte für den Klienten ist immer der Klient selbst.
 

 

...aus Sicht der Klienten

 

Müller, Holz & Seyrer (1997) befragten Nutzer des Berliner Krisendienstes nach den Merkmalen guter Krisenintervention. Dabei wurde sowohl nach wichtigen institutionellen Merkmalen als auch nach günstigen Berater- und Gesprächseigenschaften gefragt.

 

Am häufigsten (96%) wurde von den befragten Personen die Offenheit der Kriseneinrichtung für alle Arten psychosozialer Notlagen und Probleme sowie die nicht notwendige Voranmeldung als wichtige institutionelle Rahmenbedingung genannt. Sehr wichtig waren außerdem keine Wartefristen (94%), ein kostenloses Angebot (91%), Anonymität (91%) und günstige Öffnungszeiten abends, wenn andere Einrichtungen geschlossen haben (91%). Dass kein Krankenschein benötigt wurde, beurteilten 90% der Befragten als wichtig. Für ein Drittel (34%) der Befragten war es wichtig, dass kein Berater aus dem sozialpsychiatrischen Dienst in der Einrichtung tätig war. In diesen Ergebnissen drückt sich aus Sicht der Autoren der Wunsch der Klienten nach einem niederschwelligen Angebot aus.

  

Mit Abstand wichtigste Beraterqualität aus Klientensicht ist die Empathie des Beraters (61%). Die Autoren interpretieren dieses Ergebnis dahin, „dass die Grundlage einer gelungenen Krisenintervention eine von den KlientInnen als tragfähig erlebte Beziehung ist. Erst sie schafft die Voraussetzung für die Bearbeitung der Krise, zu der auch die Beraterqualitäten der Problemklärung, des Halt-Vermittelns und der therapeutischen Kompetenz vonnöten sind.“ (Müller, Holz & Seyrer 1997, S.162)

 

 

2. Umsetzung. Wie genau, mit welcher Vorgehensweise?

 

Im Spannungsfeld zwischen fachlich Wünschenswertem und knappen Ressourcen bemühen wir uns, ein möglichst gutes Angebot der Krisenintervention für Dortmunder Bürgerinnen und Bürger vorzuhalten.

 

Folgende Merkmale definieren unser Angebot:

  • Das Angebot ist für Ratsuchende kostenfrei (Niederschwelligkeit)
  • Wir vereinbaren, wenn möglich – für ein Beratungsgespräch Termine (ruhige Gesprächsatmosphäre mit ausreichend Zeit)
  • unser Ziel ist es, Termine für ein Erstgespräch innerhalb von drei Werktagen zu vergeben. Dies ist leider nicht immer möglich, wir bemühen uns aber immer um eine zeitnahe Versorgung (Kurzfristigkeit)
  • Die Einrichtung ist offen für eine Vielzahl von Problemschwerpunkten. Sofern andere Hilfen geeigneter erscheinen, soll ein möglichst frühzeitiges Screening (bereits im Rahmen der telefonischen Anmeldung) dabei helfen, unnötige Umwege zu vermeiden (Niederschwelligkeit, Fachlichkeit)
  • Die Krisenintervention ist ziel- und ressourcenorientiert. Das Ziel der Beratung wird gemeinsam mit dem Ratsuchenden unter Beachtung des Kontextes und der persönlichen Ressourcen erarbeitet (gleichrangige Beziehung)
  • Es sind nach dem ersten Gespräch bis zu zwei weitere Kriseninterventionsgespräche möglich (Beraterkonstanz)
  • Die Beratungsstelle ist keine psychiatrische Einrichtung (Niederschwelligkeit)
  • Eine Abrechnung mit Krankenkassen findet im Rahmen der Beratungsstelle nicht statt (Vertraulichkeit, Anonymität bleibt gewahrt, Niederschwelligkeit)
  • Dennoch ist bei unbedingter Notwendigkeit eine psychiatrische oder psychotherapeutische Akutbehandlung möglich (Fachlichkeit)
  • Alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht (Vertraulichkeit)
  • Alle Mitarbeiter haben therapeutische Zusatzqualifikationen und bilden sich regelmäßig fort. Als integrativer Arbeitsansatz haben sich lösungs- und ressourcenorientierte Konzepte bewährt (Fachlichkeit)