Psychosoziale Krisen

 

Jeder Mensch ist in seiner Lebensgeschichte mit Ereignissen und Problemen konfrontiert, die sich zu massiven Belastungen oder einer krisenhaften Zuspitzung ausweiten können. Krisenzeiten bieten Chancen zur Persönlichkeitsentfaltung und Veränderung. Sie können Menschen aber auch hilflos, resignativ oder sogar suizidal werden lassen. Betroffene nennen vielfältige Symptome: Gefühle der Verzweiflung, Ratlosigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Überlastung, Ängste, Antriebslosigkeit, Depressionen, Suizidgedanken oder -handlungen, psychosomatische Beschwerden, posttraumatische Symptome, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch, präpsychotische Symptome.
 
Da das Erleben einer Krise stark von subjektiven Bewertungen abhängt, ist der Begriff „Krise“ nicht leicht zu definieren. D´Amelio, Archonti, Falkai und Pajonk (2006) fassen wesentliche Aspekte des Krisengeschehens zusammen:
 
„Die meisten Definitionen von psychischer Krise enthalten folgende gemeinsamen Merkmale […]:


-        Eine psychische Krise ist eine psychische Notsituation.
-        Diese steht im Zusammenhang mit einem emotional bedeutsamen Ereignis oder

         mit einer bedeutsamen Veränderung der Lebensumstände.
-        Es handelt sich dabei um einen akuten, zeitlich begrenzten Zustand,...
-        der momentan die Bewältigungsmöglichkeiten des Betroffenen übersteigt und

         deshalb mit Kontrollverlust verbunden sein kann,...
-        in der beim Betroffenen sehr starke Emotionen auftreten können und ...
-        die Gefahr besteht, dass der Betroffene sich selbst oder anderen schweren Schaden 

         zufügt.
 

 

Aus der Sicht des Betroffenen ist die psychische Krise ein Ereignis, das in unterschiedlichem Ausmaß […]:


-        den Selbstwert der Person in Frage stellt […],
-        zentrale Überzeugungen […] der Person bedroht […] oder in Frage stellt […],
-        mit zentralen Zielen und Anliegen der Person interferiert […] und
-        frühere nicht bewältigte Ereignisse aktiviert […].

 

Eine psychische Krise ist definitionsgemäß ein zeitlich befristetes Ereignis, das sich aus einer akuten Überforderung eines gewohnten Verhaltens- und Bewältigungssystems durch belastende äußere oder innere Auslöser ergibt […]. Die akute Überforderung kann dabei das Produkt einer kurzfristig einwirkenden, heftigen Belastung oder das Resultat einer länger dauernden, kumulativen Belastung sein.“

 

                                               (D’Amelio, Archonti, Falkai und Pajonk 2006, S.195-196)

 

Nicht jede Krisensituation erfordert jedoch professionelle Hilfe. Die meisten kritischen Lebensereignisse können Betroffene mit der Unterstützung eines relativ intakten Sozialsystems eigenständig bewältigen. Erst mit dem Scheitern solcher Bewältigungsversuche und bei drohender oder zunehmender Destabilisierung werden professionelle Hilfsangebote zur Krisenbewältigung zunehmend wichtiger, etwa wenn

 

„mehrere akute Belastungen zusammenkommen oder überdauernde Belastungen zunehmen oder ein intaktes, bisher stützendes System nicht mehr vorhanden oder vom Zusammenbruch bedroht ist."

                                                                                                         (Frei 1994, S.44)

 

Je nach Art der Belastung können hier unterschiedlichste psychosoziale Hilfsangebote zur Bewältigung der Krise von Nutzen sein. Ein Aspekt von Krisenintervention ist deshalb das Ordnen der Belastungen und die Bahnung passender Hilfen.